Präsenz

Blick vom bewachsenen Ufer auf einen großen See. Dunkel erkennbar das Ufer auf der anderen Seite mit Bäumen. Darüber ein Himmel mit vielen dunklen Wolken und Sonnenschein, der sich andeutet.

Sie führt dieses Gespräch in diesem Raum, den sie nie wieder betreten möchte. Sie beantwortet Fragen, die sie nicht versteht. Mit Worten, die sie von den Bäumen im Garten vor dem Fenster pflückt. Mit der Mauer. Dem Zaun. Diesen Grenzen. Außen. Und in diesem beengten Raum. Ohne Luft zum Atmen. Kann sie sich nicht mehr bewegen. Nicht aufstehen, abbrechen, aufbrechen, gehen. Erstarrt.

Bis das Wasser kommt. Erst ein Rauschen, für einen kurzen Moment ein leises, dann ein lautes, das schließlich zu einem Tosen wird. Zunächst nur hörbar. Und plötzlich tritt es hervor. Aus den Wänden, aus dem Boden. Wie ein Messer schneidet es sich quer durch den Raum. Wellen, die sich überschlagen. Spritzende, wirbelnde Ansammlungen von Kraft.

Zwischen ihnen. Zwischen ihr und diesen Fragen. Den Zweifeln. Die nun untergehen in diesen Wassermassen. Wasser in Massen gräbt sich durch den Raum. Durch den Boden. Die Decke. Maßlos nimmt es Raum ein, weitet ihn, formt ihn, verdrängt ihn. Und sie hält ihn. Staunend sitzt sie auf dem Stuhl. Trocken. Geschützt. Sicher. Während die Bäume aus dem Garten vor dem Fenster die Fragen eigenständig mit Worten versorgen. Und sie davon nichts mehr hört. Nichts mehr sieht. Nichts mehr fühlt von der Enge.

Nur noch Weite. Das Wasser, das ruhiger wird, sich in sich zurück zieht, zu einem Fluss wird, quer durch den Raum. Breiter wird. Sekunde um Sekunde das Getose in eine riesige Fläche verwandelt. Sie kann schon nur noch schemenhaft das andere Ufer erkennen. Bäume. Vögel. Und ein Stuhl. Sitzt dort eine Person? Ohne Relevanz. Ohne Bezug. Überall der Himmel. Überall das Wasser und dann ein See. Aus dem Fluss ein See und Tiefe und Weite und Präsenz.

Und jetzt steht sie auf.

Und geht.

© Mirjam Sarrazin

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